Lesezeit: 3 min | Juli 2022

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Interviews

Erweiterte Realität: Was passiert, wenn Design die Art und Weise verändert, wie wir mit der realen Welt interagieren?

Wenn Design und Technologie aufeinander treffen, wer macht was? Welche Rolle bleibt dem Design angesichts einer zunehmend digitalen Realität?

Wir sprachen mit Paulina Porten, einer kreativen Technologin, die sich mit Augmented Reality und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft beschäftigt. Sie hat einen Prototyp für eine Augmented-Reality-App entwickelt, mit der die Menschen live, interaktiv und gemeinsam über die Zukunft der Stadtplanung abstimmen können.

iF: Wie ist die Beziehung zwischen Design und Technologie?

Paulina Porten (PP): Heutzutage müssen Design und Technologie Hand in Hand arbeiten, um wertvolle und auch nachhaltige digitale Erfahrungen zu schaffen. Das bedeutet nicht, dass man als Designer, der sich mit Technologie beschäftigt, den Anspruch hat, den Entwickler zu ersetzen und z.B. eine App selbst zu entwickeln. Aber Sie sollten Ideen, die im technologischen Bereich liegen, konzipieren und prototypisch umsetzen - Sie sollten die "gleiche Sprache" sprechen können wie der Entwickler. Natürlich gibt es auch Designer, die sich in alles einarbeiten und alles selbst abdecken. Aber aus meiner Sicht ist es wichtig, dass man nicht aus den Augen verliert, was die eigentliche Aufgabe ist.

paulina Porten ist freiberufliche Interaktionsdesignerin und kreative Technologin mit Schwerpunkt auf Augmented Reality und 3D-Druck. Als Designerin beschäftigt sie sich mit der angemessenen und verantwortungsvollen Nutzung verschiedener Technologien zur Gestaltung einer sozialen Zukunft, z. B. durch ihren Prototyp "Augmented Participation". Sie befasst sich mit dem Problem, unterschiedliche Interessen in der Stadtentwicklung zusammenzubringen und hilft den Beteiligten, auf Augenhöhe zu kommunizieren.

"Es ist extrem wichtig, besonders als Designer, an dieser aufkommenden Technologie beteiligt zu sein, solange sie noch formbar ist, um zu beeinflussen, wie diese Technologie unser Leben beeinflussen wird

Paulina Porten - Creative Technologist focused on Augmented Reality

iF: Welche Rolle spielt der Designer bei einem Hightech-Produkt oder einer Dienstleistung?

PP: Nehmen Sie zum Beispiel eine interaktive Ausstellung, denn daran arbeite ich gerade: Als Entwickler geht es hauptsächlich darum, wie technologische Prozesse und Installationen funktionieren. Aber für mich als Designer geht es darum, wie die Ausstellung mit den Besuchern kommuniziert. Welches Wissen möchte ich vermitteln? Wie gehe ich mit den Besuchern um, wenn sie in die Ausstellung kommen? Wie mache ich sie mit dem Medium vertraut? Wie erkennen sie, welche Möglichkeiten sie haben und was sie erleben können? Wie erlebt man als Besucher die Ausstellung? Das sind Fragen, die sehr stark in den Bereich der Gestaltung fallen. Es geht nicht um die technische Umsetzung, sondern um das Gefühl, das beim Besucher bleibt. Dafür ist technologisches Wissen notwendig, um ein Verständnis dafür zu haben, was überhaupt möglich ist.

"Wir stehen an der Schwelle einer neuen Revolution".

"Wir stehen an der Schwelle einer neuen Revolution"

Im folgenden Video spricht Fabio Verdelli über die kommende VR-Welle. Technologien, die die Welt verändern, sind immer diejenigen, die die Art und Weise verändern, wie wir unsere Umgebung wahrnehmen, erklärt der Grafikdesigner, Produktdesigner und iF Jury-Mitglied.

Wie das aussehen kann, zeigt die App von Paulina Porten. Sie hat die Augmented Reality entwickelt, um den Menschen zu helfen, sich an städtebaulichen Entscheidungen in ihrer Nachbarschaft zu beteiligen. "Wir können alle von der Technologie profitieren", sagt sie.

iF: Welchen Ratschlag würden Sie angehenden Designern geben, den Sie selbst gerne früher gewusst hätten?

PP: Gehen Sie raus und stellen Sie Fragen! Hört auf mit diesem ganzen Konkurrenzdenken! Ich habe am meisten gelernt, indem ich die Leute einfach gefragt habe: "Mir gefällt, was du machst! Ich bin auch immer ganz froh, wenn man mich fragt. Schließlich lerne ich besser, wenn ich meine Arbeit erkläre. Gerade im Bereich Design und Technik ist das extrem hilfreich, da die Branche gerade erst im Entstehen ist. Der Austausch ist hier entscheidend. Anders als bei der Buchgestaltung, wo man auf jahrhundertelange Erfahrung zurückblicken kann und die Dinge selbst herausfindet, geht es hier eher um Learning by Doing.

iF: Sie sagen, dass Mixed und Augmented Reality als Technologien gerade erst entstehen und eher zukunftsorientiert sind. Wenn Sie raten müssten: Welche Technologie wird Ihrer Meinung nach die Zukunft am stärksten prägen?

PP: Augmented Reality natürlich! Im Gegensatz zu VR-Brillen, die den Träger völlig isolieren, ist Augmented Reality am meisten mit der Realität verbunden. Sie reagiert mehr auf das reale Leben und schafft ein gewisses Zusammenspiel mit der Technologie. Das heißt nicht, dass VR keine Anwendungen hat, aber sie ist nicht so sehr mit dem täglichen Leben verbunden.

"Ich bin nach wie vor der Meinung, dass Technologie im sozialen Bereich auf innovative Weise eingesetzt werden kann und wir alle davon profitieren können

Paulina Porten - Creative Technologist focused on Augmented Reality

Natürlich wird es anfangs Skepsis gegenüber dem Medium geben, aber das war auch beim Smartphone der Fall. Denken Sie daran, wie die Leute damals reagiert haben: 'Seltsam, dann läufst du herum, während du mit jemandem telefonierst.' Heutzutage laufen wir mit unserem Telefon herum, während wir Voicemail oder FaceTime abhören, und das ist völlig normal geworden.

Ich würde noch nicht darauf wetten, aber ich kann mir vorstellen, dass das Gleiche mit Augmented Reality und z. B. AR-Brillen als zugehörigem Gerät passiert. Deshalb ist es vor allem für Designer extrem wichtig, sich mit dieser aufkommenden Technologie zu befassen, solange sie noch formbar ist, um zu beeinflussen, wie diese Technologie unser Leben beeinflussen wird. Natürlich gibt es eine Menge Dystopien darüber. Aber ich glaube nach wie vor daran, dass Technologie auf innovative Weise im sozialen Bereich eingesetzt werden kann und dass wir alle davon profitieren können. Hier sind die Designer gefragt, Konzepte und Ideen zu entwickeln, wie sie einen Mehrwert schaffen können, anstatt öffentliche Räume als große Werbefläche für AR-Brillen zu nutzen.